AUS DEM NEW YORK TAGEBUCH


Juli/August 1979


...Auf so viele Schlaglöcher, Abfall in den Strassen, Dreck und Elend überall, war ich nicht vorbereitet - New York, eine moderne Grossstadt in einem so hoch technisierten, zivilisierten Land, wie ich geglaubt hatte, das hatte mich schon eher überrascht, und ich empfand es oft trister als in einer Stadt der dritten Welt, wo der ohnehin meist nur organische Abfall von den Vögeln gleich weggeräumt wird.

Ganz anders, wenn ich beispielsweise an einem dieser märchenhaften Sommerabende, wo am schon zartrosa zu verfärben sich beginnenden Himmel, kleine, flauschige Wölkchen vorüberziehn, und die Farbe des Wassers darunter, verheissungsvoll in ein blasses Lila sich wandelt, ich, von einem der Fährboote aus, - die ganze New Yorker Silhouette vor meinen Augen - gemächlich auf Manhatten zugleite, und ich direkt vor mir, stolz sich erhebend, die beiden Twin Towers; diese majestätisch schlicht und klar geformten schlanken Türme des World Trade Centers seh, an deren Fensterscheiben hoch oben, da und dort, wie Diamanten auffunkelnd, die letzten Sonnenstrahlen sich spiegeln. Das sind dann so Momente, wo ich nur noch ergriffen dasteh, voll grösster Ehrfurcht auch vor all jenen Menschen, die immer überall erneut es schaffen, all unserer Naturschönheit derart Grosses, architektonisch Beständiges, entgegenzusetzen, angesichts dessen, mir auch nicht schwer fällt, mich in die vielen, einst neu hier Eingewanderten hineinzuversetzen, die alle, von weit über dem Meer her kommend, an der Fackel hochhaltenden Freiheitsstatue vorbei, mit dem Schiff hier strandeten, und die - auch wenn es diese beiden Türme damals noch nicht gab - im Anblick dieser jungfräulichen Reinheit, bestimmt all ihre Hoffnung - hier ganz neu beginnen zu dürfen - bereits verwirklicht sahen. Denn von hier aus betrachtet, wirkt alles so makellos sauber und absolut klar. Und nichts, auch gar nichts, was auch nur im geringsten auf Schmutz hindeutet oder gar auf Kriminalität.

Eine widerum andere Sicht stellte sich mir ein, als ich zuoberst stehend, von einem dieser Türme - genauso wie vom Empire-State-Building - meinen Blick nach unten schweifen liess - auf den Hudson River; die festlich beleuchteten Hängebrücken des East Rivers, oder auf die andern, entfernteren Stadtteile New Yorks, und ich dabei, - nun plötzlich unter mir - wie kleine Glühwürmchen im Wind, all die blinkenden Helikopter umherschwirren sah; und, noch weiter unten, ganz tief, tief unten im Schlund der Strassen, all jene unaufhaltsam zirkulierenden und sich kreuzenden Autokolonnen sah, die sich mit ihren roten Schlusslichtern wie eine undurchdringliche Kette von Ameisen sich fortbewegen. Aus solcher Höhe hinabschauend, kommt man sich dann plötzlich nur noch nichtig vor, und es stellte sich einem die Frage: Wer sind wir denn schon, wir Menschen? Doch ganz sicher nicht die Krone der Schöpfung, wie wir immer meinen.
Auch wir sind doch nur ein winziges, winzig winziges Pünktchen in diesem ganzen Universum; kleiner, ja viel kleiner noch als irgend ein Floh, der sich mit einem einzigen Daumen zerdrücken lässt. Wenn man einmal da oben gestanden, scheint aller Hochmut wie verflogen und man glaubt, alles wieder in die richtige Dimension rücken zu können.

Doch wie schnell ist dies alles wieder vergessen. Kaum nämlich steigt man erneut unten aus dem Lift, steckt man mit seinem ganzen Ego auch schon wieder mitten drin; ist man wieder nichts anderes als diese träge, zähe Masse, die einem von neuem, so wichtig und einmalig erscheint.
Eingeklemmt zwischen Häusern - wieder Dreck und Not, und die vielen, Schauder erweckenden Blicke. In einer Nische etwa auch mal ein lebloser Körper, von dem, ob schon tot, nur verwundet, oder einfach stark betrunken, schwer zu sagen ist, und einzig man nur weiss -jaa nicht zu nahe heran, denn es könnte ja noch ein noch nicht abgekühltes, noch immer geladenes Schiesseisen in seiner Nähe sich befinden.
Und schon sind da auch wieder allfällige Leichen- oder Feuerwehrwagen; versetzen Polizeistreifen und Ambulanzen mit ihrem unheimlichen, an- und abschwellenden Sirenengeheul einen erneut in Angst und Schrecken.

Lianes Portrait



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